Kapitel 2: Schule schwänzen angesagt!
Tukan winkte seine 4 Freunde an sich heran. "Hey, habt ihr das mit dem Schatz gehört? Das ist ja richtig spannend! Die Menschen haben einen Schatz!", sagte er mit deutlichen Schnabelbewegungen.
"Ja!" Rostkatze nickte.
"Wollen wir Jaguar fragen, ob er uns die noch mal zeigen kann? Vielleicht können wir so ja noch mehr darüber herausfinden!", sagte Ozelot.
"Aber wenn sich das ganze als neuer Fall entpuppt, mach' ich ganz klar nicht mehr mit!", warnte Nilpferd. "Ich hab die Obstinsel immer noch nicht gefunden (also außer in meinen Träumen) und will genug Zeit dafür haben, sie in Ruhe suchen zu können!"
Tukan seufzte. "Ja, ja. Wir fragen jetzt erst mal Jaguar nach dem Papier."
Jaguar händigte es ihnen natürlich aus, schaute aber auch auf das Papier. Durfte er ja auch. Die Dschungelfreunde erlaubten es ihm schließlich.
Affe tastete das Papier nach seltsamen Stellen ab. Er hatte keinen Erfolg.
Ozelot und Rostkatze nahmen sich jede Ecke mit ihren scharfen Blicken vor. Ihnen entging kein einziges kleines Schriftzeichen.
"Da!", rief Ozelot plötzlich. "Neben dem Schatz steht da was in Minischrift! Mann, die Menschen schreiben aber nicht sehr leserlich!" Er beugte sich näher über das Papier und entzifferte: "Des Schatzes... Der Schatz... Der Schatz gehöste... gehörte... Der Schatz gehörte... gehört... Der Schatz gehört... Dieses R! Die Menschen schreiben Schreibschrift, und da sieht das R immer aus wie ein S! Wie ärgerlich! Also... Der Schatz gehört unsesen... Der Schatz gehört unseren Tischen. Hä? Ach so: Der Schatz gehört unseren Tieren. Der Schatz gehörte ihren Tieren. Ach, darunter steht ja noch was! Er gehört auch den wilden Tieren, die hier sein werden..."
"Das heißt, er gehört uns!", rief Tukan.
"Hä? Was soll das heißen, Tukan?", fragte Nilpferd verwirrt.
"Da ist doch eine Karte! Wir sind ungefähr hier bei dieser riesigen Lichtung... Früher war hier eine Lichtung, jetzt ist hier die große Palme, unsere Schule... Und da ist der Schatz! Wir können ihn suchen und holen!" Tukan strahlte.
"Ja! Super Idee!", sagte Rostkatze.
"Aber wozu brauchen wir den Schatz?", wollte Affe erst mal wissen. "Der besteht doch aus Gold und Silber und Edelsteinen und sowas halt, das ist doch nicht nützlich! Oder findet ihr das etwa nützlich?"
"Na ja, die Reise ist es doch wert, oder?", fand Tukan.
Ozelot zwinkerte. Er flüsterte den anderen zu: "Außerdem können wir so ein bisschen Schule schwänzen. Die genehmigt das ja sicher."
"Also wenn Schule schwänzen fest im Programm steht, mache ich natürlich sehr gern mit", lachte Nilpferd.
"Aber... wir zu fünft? Ich weiß nicht recht. Vielleicht brauchen wir doch noch so etwas wie einen Experten oder eine Aufsichtsperson...", zweifelte Rostkatze.
"Stimmt ja. Wie wär's mit Frau Wasserschwein? Die ist nett", meinte Affe.
"Oder eben Herr Kaiman", meinte Nilpferd.
"Ich mag Herr Gürteltier ganz gerne", sagte Ozelot.
"Am organisiertesten ist halt Frau Aguti", erklärte Rostkatze.
Während seine Freunde darüber diskutierten, wer am besten war und durch ihre verschiedenen Meinungen schon kurz davor waren, in einen Streit hereinzugeraten, tapste Tukan auf Jaguar zu und fragte ihn: "Hättest du Lust, bei unserer Suche nach dem Schatz von den Menschen mitzukommen?"
Jaguar war verblüfft und erstaunt über die Nachfrage. "Ja... Warum nicht? Stimmt... Äh... Ja, ich hätte schon Lust."
Ozelot, Rostkatze, Affe und Nilpferd waren aufmerksam geworden.
"Stimmt! Warum sind wir nicht schon früher darauf gekommen? Er hat die Papiere ja selber gefunden!", sagte Affe.
"Außerdem ist er ja sitzengeblieben und deshalb älter und erfahrener!", fiel Nilpferd ein.
Nach ein paar Minuten war es beschlossene Sache, dass Jaguar statt irgendeinem Lehrer oder einer Lehrerin mitkam. Tukan besprach die ganze Sache mit der Suche nach dem Schatz mit 4 von den Lehrern: Frau Wasserschwein, herr Gürteltier, Frau Aguti und Herr Kaiman. Auf die strenge Frau Harpye und die missgelaunte, gestresste Frau Nasenbär verzichtete er lieber, weil er wusste, dass er die Zustimmung der beiden nicht erhalten würde. Außerdem reichten 4 von 6 auch schon völlig.
Herr Gürteltier, Frau Wasserschwein, Herr Kaiman und Frau Aguti fanden den Plan gut und wünschten ihnen viel Glück. Bevor die 6 Tierkinder jedoch aufbrechen würden, gaben sie ihnen noch eine Extra-Stunde Überlebens-Unterricht, da den 6 auf ihrer Reise ja wahrscheinlich allerlei Gefahren begegnen würden und sie daher bestens gewappnet sein mussten. Herr Kaiman selbst war ja erst neulich von einer riesenhaften Würgeschlange angegriffen worden und hatte in Lebensgefahr geschwebt.
Als die 5 (jetzt auch 6) Freunde sich, bis zum Hals vollgestopft mit Informationen, auf den Weg machen wollten, kam Anakonda von oben herabgeschossen und sprach sie an: "Hallo Leute. Ich will euch nur helfen. Ich warne euch vor größeren Anakondas! Sie sind extrem lange Würgeschlangen, die je nach Größe viel Nachwuchs bekommen und nicht mehr viele Fressfeinde haben, wenn sie ausgewachsen sind! Sie lauern meistens im Wasser und greifen an, wenn das Beutetier nah genug ist. Dann beißen sie das Opfer und umschlingen es mit ihrem muskolösen Körper, was schnell zum Tod führt, weil dieser Vorgang die Atmung und den Blutkreislauf schwächt. Dann fressen sie einen mit dem Kopf voran. Nehmt euch vor meinen größeren Artsgenossen in Acht!" Sie blickte die 6 ernst an, dann schoss sie wieder nach oben. Tukan flatterte kurz zu ihr herauf und ließ sich vorsichtig mit einigem Abstand neben ihr auf dem Ast nieder. "Danke für die Info. Das ist sehr wichtig für uns zu wissen", sagte er und flog wieder zu seinen Freunden herunter.
"Ich hätte nicht gedacht, dass Anakonda so nett ist, uns vor ihren Artgenossen zu warnen, ohne irgendwas im Schilde zu führen", gab Rostkatze zu.
Als sie sich von den Mitschülern verabschiedet hatten, brachen die 6 endlich auf und hatten die Lichtung mit der großen Palme schon bald hinter sich gelassen. Gut gelaunt und fröhlich quatschend entfernten sie sich Meter für Meter vom alltäglichen Lernstress. Affe hatte die verantwortungsvolle Aufgabe, die alte Karte mit sich herumzutragen und nicht zu verlieren, was ihm die anderen eigentlich nicht so richtig zutrauten. Trotzdem drückten sie ein Auge zu und taten so, als wäre er sehr vertrauenswürdig, denn er war eben der einzige mit richtigen Händen und konnte es am besten festhalten.
Tukan schnatterte ein fröhliches Lied über die schon lange heiß ersehnte Chance, die Schule schwänzen zu können. Er krallte sich mit seinen kleinen Füßen auf Ozelots Rücken fest und die anderen benutzten ihn als Ausguck. Er sollte ihnen als Erster bescheidsagen, falls er eine Gefahr wahrnahm. Natürlich war dieser Plan nicht durchdacht, denn Ozelot, Rostkatze und Jaguar würden Gefährliches schon viel früher wittern. Darüber wollten sie im Moment aber nicht nachdenken, sie hatten viel zu Spaßiges im Kopf, als über Logik und gefährliche Raubtiere nachdenken zu wollen.
Mit der Zeit wurde Nilpferd träge und stolperte gedankenversunken mit plumpen Schritten vor sich hin. Er war lange Tagesmärsche nicht gewohnt und träumte auch tagsüber oft vor sich hin. Einer seiner größten und besten Träume war der von der Obstinsel, die zu finden sein stetes Ziel war. Es war eine Insel, umgeben von warmem Wasser, auf der Palmen und tropische Früchte wuchsen... Für ihn ein Ferienparadies. Die anderen konnten gut verstehen, warum er also Tagträumen nachhing und manchmal Fragen, die ihm gestellt wurden, nicht beantwortete. Diese Gewohnheit hatte übrigens auch einen Zusammenhang mit seiner Persönlichkeit; er war schon seit seiner Geburt ein Träumerchen und vergaß alles, was nicht wichtig war.
Nach einer Weile hörten die 6 Gefährten mit dem vergnügten Geplapper auf, horchten, wurden aufmerksamer und verstummten schließlich ganz. Es war besser, nicht allzu auffällig zu sein und keinen unnötigen Lärm zu verursachen, denn so konnten schnell Raubtiere auf sie aufmerksam werden, und genau das wollten sie nun strikt vermeiden, da sie sich schon in einem Gebiet befanden, das ihnen fremd war und dessen Bewohner sie ungewöhnlich fanden. Sie wollten sich auf keinen Fall mit irgendwelchen fremden, ausgewachsenen großen Tieren anlegen, das konnte nämlich schnell zu einem plötzlichen Angriff führen.
Ozelot, Rostkatze und Jaguar stellten die Ohren auf. Affe fing an zu schleichen und überhaupt keine Geräusche zu produzieren. Tukan fixierte seinen Blick auf das, was vor ihnen lag, und machte sich bereit, mit den Flügeln zu schlagen, was die anderen als Warnung erkennen sollten. Nilpferd tarnte sich so gut es ging und versteckte sich hinter dem Rest, was nicht gelang, weil er viel massiger war. Von weitem sah er aus wie ein sich bewegender großer Stein.
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